Kollektivverträge im Wandel: Wie Flexibilität in der Arbeitswelt von heute gelingen kann
Kollektivverträge im Wandel: Wie Flexibilität in der Arbeitswelt von heute gelingen kann
Kollektivverträge Ja oder Nein? Darüber scheiden sich im Handwerk die Geister.
Kollektivverträge schaffen rechtliche Klarheit, minimieren individuelle Verhandlungsprozesse und garantieren, im Prinzip, faire Konkurrenzbedingungen gegenüber ausländischen Anbietern. Doch diese Stabilität hat ihren Preis.
Luxemburg leistet sich noch immer eines der weltweit restriktivsten Arbeitsgesetze, welches ideologisch in den Klassenkämpfen des 19. und frühen 20. Jahrhundert gründet.
Moderne, an die individuellen Bedürfnisse der Arbeitnehmer und gleichzeitig an die Herausforderungen der Unternehmen angepasste Arbeitsorganisation ist unter diesen Umständen nicht möglich.
Kollektivverträge in Luxemburg bieten kaum zusätzlichen Verhandlungsfreiraum, da es keine wirkliche Möglichkeit gibt vom Arbeitsrecht abzuweichen und weil Gewerkschaften „win-win“- Situationen als Verhandlungsresultat ablehnen. Kollektivvertragsverhandlungen sind Fortsätze des Klassenkampfes und „Verbesserungen“ müssen der Gegenseite abgerungen werden. Langfristige Perspektiven, wie die Absicherung von Wirtschaftszweigen, Arbeitsplätzen oder Berücksichtigung von globalen Trends spielen keine Rolle.
Im Handwerk sind im Laufe der Jahre eine ganze Reihe von Kollektivverträgen verschwunden und dort, wo sie noch existieren, sind die meisten mit einem großen Fragezeichen versehen. Alleine der Umstand, dass sich ein Sektor erdreisten könnte eigene Erwartungen anzumelden wird von den Gewerkschaften als rotes Tuch angesehen.
Digitalisierung, Individualisierung der Lebensweisen, Globalisierung, Kundenerwartungen, … auf all diese Fragen bieten Kollektivverträge in ihrer jetzigen Prägung keine Antworten.
Während Kollektivverträge und die dazugehörige Tarifautonomie klassischerweise in den Einflussbereich der Sozialpartner fällt, versucht nun die Politik in Europa und in den Mitgliedsstaaten dieses Thema für sich einzunehmen. Im Sinne der Angleichung von Lohn- und Arbeitsbedingungen sollen neben Mindestlohn nun auch Kollektivverträgen eine stärkere Rolle zukommen.
In diesem Kontext hat die luxemburgische Regierung nun einen ersten Entwurf zu einem nationalen Aktionsplan für die Förderung von Kollektivverträgen vorgelegt.
In ihrem Aktionsplan verfolgt die Regierung den klassischen, klassenkämpferischen Ansatz, in dem es nur um einen Zuschlag auf das ohnehin schon erdrückende Arbeitsrecht geben darf. in
Jedoch in einer Zeit, in der sich die Arbeitswelt rasant verändert, stehen viele Unternehmer vor der Frage, wie zeitgemäß traditionelle Kollektivverträge noch sind. Digitalisierung, Globalisierung und neue Ansprüche der Arbeitnehmer erfordern von Unternehmen schnelle Anpassungen und mehr Flexibilität – doch gerade hier stoßen klassische Kollektivverträge oft an ihre Grenzen. Aus der Perspektive vieler Arbeitgeber stellt sich die berechtigte Frage: Wie können man die starren Strukturen dieser Vereinbarungen aufbrechen, ohne den sozialen Frieden und den rechtlichen Schutz zu gefährden? Und gibt es Alternativen, die es ermöglichen, agiler zu handeln?
In den Augen der Arbeitgeber sollte die Arbeit auf Betriebsebene geregelt werden können. Nur dort kann man die Anforderungen und Erwartungen der Arbeitnehmer und der Unternehmen in Einklang bringen.
Die Sozialwahlen zeigen regelmäßig, dass Gewerkschaften in den allermeisten Unternehmen keine Rolle spielen und, dass freie Personaldelegationen geeignete Ansprechpartner sind, um Organisationsfragen zu diskutieren.
Natürlich können Kollektivverträge einen Rahmen bieten, um solche Prozesse in den Unternehmen zu begleiten. Aber auch da braucht es mehr Handlungsspielraum. Pisten wären Flexibilitätsklauseln. Diese ermöglichen es Unternehmen, in einem festgelegten Rahmen von den heute so starren Vorgaben des Kollektivvertrags abzuweichen. Gerade in Bereichen wie Arbeitszeiten oder der leistungsabhängigen Vergütungen bieten solche Klauseln die notwendige Beweglichkeit. Unternehmen können so auf kurzfristige Veränderungen reagieren. Beispielsweise könnten Betriebe flexiblere Arbeitszeitmodelle einführen, die den Bedürfnissen ihrer Belegschaft und den Anforderungen des Marktes gleichermaßen gerecht werden.
Mindestschutz durch Kollektivverträge mit einem größeren Spielraum für individuelle Verhandlungen auf Betriebsebene. Dies würde Unternehmen die Möglichkeit geben, auf spezifische betriebliche Anforderungen einzugehen.
Doch dazu müsste der Gesetzgeber bereit sein einen guten Teil des Gestaltungsfreiraumes innerhalb eines vorgegebenen Rahmens zurück an die Unternehmen und ihre Mitarbeiter zu geben.
Es wird deutlich, dass Kollektivverträge in ihrer bisherigen Form oft nicht mehr alle Anforderungen einer modernen Arbeitswelt erfüllen können. Doch anstatt sie vollständig abzuschaffen, sollten sie weiterentwickelt werden. Flexibilisierungen, Differenzierungen bieten Ansätze, um den Balanceakt zwischen betrieblicher Anpassungsfähigkeit und sozialem Schutz zu bewältigen.
Dabei ist es entscheidend, dass alle Akteure – Arbeitgeber, Arbeitnehmer und Gewerkschaften – an einem Strang ziehen. Nur durch einen konstruktiven Dialog können moderne Lösungen entwickelt werden, die sowohl den wirtschaftlichen Erfordernissen als auch den sozialen Bedürfnissen gerecht werden. Schließlich geht es nicht darum, den Kollektivvertrag zu ersetzen, sondern ihn fit für die Zukunft zu machen.
Die Fédération des Artisans wird weiterhin an diesen Themen arbeiten und sich dafür einsetzen, dass unsere Mitglieder die notwendige Flexibilität erhalten, um auch in einer dynamischen Arbeitswelt erfolgreich zu bleiben. Flexibilität und Fairness dürfen sich nicht ausschließen – sie müssen sich ergänzen.