Skip to main content

FDA - NEWS

2G im Freizeitbereich, 3G im Unternehmen wie soll das gehen?

Romain Schmit

 

Die Corona-Situation eskaliert wieder. Es ist Winter, und wenig überraschend steigen die Infektionszahlen parallel zu den sinkenden Temperaturen. Leider steigt auch die Bettenbelegung in den Intensivstationen, so dass – wieder einmal – die Frage nach der medizinischen Grundversorgung der Gesamtbevölkerung gestellt werden muss. Es werden nämlich noch immer gleich viele Leute krank oder haben einen Unfall und müssen im Krankenhaus auf einer Intensivstation versorgt werden, wie vor Corona. Nur riskieren jetzt wieder die Intensivstationen durch schwere Corona-Verläufe vollzulaufen, so dass in anderen Ländern Europas bereits laut über medizinische Triage nachgedacht wird. In Luxemburg ist die Lage (noch?) nicht so schlimm, die Bettenbelegung der hiesigen Intensivstationen nimmt aber zu, erste Operationen wurden bereits terminlich nach hinten verlegt, um eben funktionierende Intensivdienste zu garantieren und das System sowie das Personal möglichst nicht zu überlasten. Nun sind einige neuen Bestimmungen erlassen worden, um die Situation beherrschbar zu halten. Die Fédération des Artisans versucht, die zugrunde liegenden Überlegungen zu erklären und ihre Mitgliedsbetriebe auf die anstehenden Wochen einzustimmen.

Um eines gleich vorwegzunehmen: wir wissen, dass dies kein Zuckerschlecken ist!

Wie konnte es dazu kommen? Schließlich wird seit rund einem Jahr geimpft…

Nun, es wird zwar geimpft, aber eben nur zu wenig! Nach anfänglicher Aufregung über Impfdrängler hat sich die Situation ins Gegenteil verkehrt, so dass momentan eher die Impfgegner das medienbeherrschende Thema sind. Es gibt einige Gründe, sich nicht impfen zu lassen, vor allem medizinische. Da gibt es Patienten mit bestimmten Pathologien, die keine Impfung bekommen dürfen, es bestehen Inkompatibilitäten zwischen Impfstoffen und anderen Medikamenten, alles akzeptabel. Wobei man allerdings auch hier anmerken muss, dass es nur sehr wenige solcher Fälle gibt, hier in Luxemburg seien es laut Gesundheitsministerium lediglich um die 200.

Völlig inakzeptabel aber ist das Spektakel, das in zweiwöchentlichem Turnus alle möglichen Schwurbler und Antivaxer zu einer „marche blanche“ aufruft, eigentlich eine ungeheuerliche Usurpation des Namens einer Bewegung, die der Opfer von Dutroux zu gedenken versuchte. Bedauerlicherweise regte sich die ansonsten so kritische Presse recht wenig über diese Tatsache auf.

Mit dem Resultat, dass Luxemburg Anfang Dezember mit lediglich knapp 75% Impfquote dasteht, anstatt der angestrebten 85% und mehr.

Ja, die Regierung hat – besonders seit einigen Wochen - so ziemlich alles falsch gemacht, was in Sachen Kommunikation falsch gemacht werden kann. Das kann und darf jedoch keine Entschuldigung dafür sein, jetzt einen erneuten (auch nur partiellen) Lockdown zu akzeptieren wie letztes Jahr um diese Zeit. Außerdem zeigt das Beispiel Deutschlands recht anschaulich, dass die ständige Wiederholung dieser Übung auch nicht eben erfolgversprechend ist. Und: es trifft alle, auch die, die sich zweimal haben piksen lassen und anschließend auch noch den Booster auf sich nehmen. Wenn schon Einschränkungen, dann doch bitte schön für diejenigen, die eine erfolgreiche Virusbekämpfung durch ihre Haltung unmöglich machen oder zumindest erschweren.

Dies war nach unserem Verständnis dann auch der Ausgangspunkt der Überlegungen, die zu dem neuen Maßnahmenpaket führten: das Gesundheitssystem muss funktional erhalten bleiben unter gleichzeitiger Vorgabe, dass ein erneuter genereller Lockdown vermieden werden soll.

Die angekündigten Maßnahmen

Die Regierung hat angekündigt zur Bekämpfung der Corona-Pandemie, die Gangart etwas zu verschärfen. So soll im Freizeitbereich schnellstmöglich „2 G“ eingeführt werden, was bedeutet, dass jeder entweder genesen oder geimpft sein muss, um an sportlichen oder kulturellen Veranstaltungen teilzunehmen, oder aber um ins Restaurant zu gehen. Diese Regelung soll Mitte Dezember gesetzlich in Kraft treten.

Ab dem 15. Januar schließlich müssen ALLE Unternehmen für sich den Covid-Check einführen und die Befolgung der allgemein gültigen „3G-Regel“ kontrollieren: genesen, geimpft, oder getestet. Anders als für den Freizeitbereich bleibt im professionellen Bereich also die Möglichkeit bestehen, dass sich Mitarbeiter ohne Impfung oder Immunschutz testen lassen können. Es muss sich hierbei um zertifizierte Schnelltests handeln, also keine auf eigene Faust durchgeführten Schnelltests. Die Gültigkeit der Tests wurde auf 24 Stunden herabgesetzt, die der ebenfalls gültigen PCR-Tests beträgt 48 Stunden. Falls der Covid-Check negativ ausfällt, dürfen die betroffenen Arbeitnehmer die Arbeit nicht aufnehmen, das Unternehmen oder die Arbeitsstätte nicht betreten.

So weit, so gut?

Bestimmt nicht, das haben die ersten Reaktionen unserer Mitglieder ganz klar ergeben. Aber es ist wohl die beste Lösung, die unter den gegebenen Umständen gefunden werden konnte. Ansonsten marschieren wir nämlich schnurstracks in den nächsten Lockdown hinein.

Allgemeine Impfpflicht als Alternative?

Theoretisch ja, aber das Problem hierbei ist vor allem der juristische Rahmen mittels dessen die Impfpflicht denn auch durchgesetzt werden könnte. Mit etwas Spannung sind von daher alle Augen momentan auf die Länder gerichtet, die eine allgemeine oder zumindest sektorspezifische Impfpflicht angekündigt haben, um zu sehen, ob und mit welcher juristischen Basis letztere dies denn nun umsetzen wollen.

Eine Impfpflicht mit fixen Terminen und angepasstem Sanktionskalender wären in unseren Augen durchsetzbar, entsprechende Gutachten und Entscheidungen auch des Europäischen Gerichtes für Menschenrechte scheinen dies zu belegen. Hierzulande wird die Situation jedoch insbesondere durch die hohe Anzahl an Grenzgängern erschwert, denen man eine solche Pflicht nicht ohne entsprechende Regelungen in den jeweiligen Herkunftsländern auferlegen kann. Luxemburg wird also abwarten, was in anderen europäischen Ländern passieren wird, wenn beispielsweise Österreich oder Deutschland, wie angekündigt, im Februar tatsächlich eine Impfpflicht einführen werden. Ideal wäre hier bestimmt eine europäische Initiative. Vielleicht wäre die Regierung dennoch gut beraten, zumindest schon jetzt entsprechende gesetzgeberischer Vorbereitungen zu treffen, um sich nicht im Februar – wieder einmal - sagen lassen zu müssen, sie hätten entscheidende Entwicklungen verschlafen.

2G im Freizeitbereich

All diese Fragen wurden gestellt und konnten leider nicht zur allgemeinen Zufriedenheit juristisch und abklärend festgezurrt werden. Von daher wurde dann die zweitbeste Lösung zurückbehalten, nämlich die Verschärfung der Restriktionen, zuerst und insbesondere im Freizeitbereich. Die Möglichkeit, sich testen zu - egal ob Schnelltest oder der aufwändigere Antigentest – verschwindet hier.

Dabei war der Grundtenor der, es den Ungeimpften möglichst unbequem zu machen, indem möglichst viele „Schlupflöcher“, sprich Aktivitäten, die ungeimpft gemacht werden können, gestopft werden. Vor dem Hintergrund, wenn schon nicht die unverbesserlichen Gegner, dann zumindest die Skeptiker zur Impfung zu bewegen oder die, die es bisher aus Bequemlichkeit oder Unwissenheit nicht getan hatten. Demnächst gibt es Sport, Kultur und Restaurantbesuche nur mehr für Geimpfte oder Genesene. Tests genügen nicht mehr, um sich trotzdem Einlass zu verschaffen, insbesondere weil neben 2G auch die Identität der Betroffenen kontrolliert werden muss. Kein Weihnachtsmarkt, keine Betriebsfeier, kein gemütliches Abendessen beim Italiener an der Ecke, keine Weihnachtsfeier außer bei sich zuhause, kein Fußball, kein Theater, keine Oper und keine Rockhal! Faktisch kommt diese Regelung einer Impfpflicht gleich, die sich auf bestimmte Bereiche des Lebens bezieht.

Das alles in der Hoffnung, dass sich möglichst viele Bürger für eine Impfung entscheiden, wenn sie noch keine haben. Hoffen wir, dass diese Rechnung aufgeht und wir baldmöglichst eine befriedigende Impfquote erreichen.

3G in den Unternehmen ab dem 15. Januar

Einen Monat später, am 15. Januar – man beachte: das lässt den bisher Ungeimpften die Möglichkeit, sich komplett impfen zu lassen – wird dann in den Unternehmen 3G zur Pflicht. Da muss dann jeder Arbeitnehmer – und jeder Arbeitgeber natürlich auch – den Nachweis erbringen, dass er genesen, geimpft oder getestet ist. Diese Regelung gilt für alle Unternehmensbereiche, auch die, wo wegen Publikumsverkehr die bisher gültigen sanitären Maßnahmen wie Masken- und Abstandspflicht weiter Gültigkeit haben, wie beispielsweise in Ausstellungs- oder Showräumen oder im Geschäftsbereich.

Der Covidcheck muss täglich ausgeführt werden. Im Prinzip! Falls nämlich die Beschäftigten dem Arbeitgeber ihr jeweiliges Impfstatut mitteilen und die Gültigkeitsdauer, entfällt der tägliche Test, weil der Arbeitgeber diese Information weiterverarbeiten darf in Form von Listen und anderen, internen Abläufen, die im Zusammenhang mit dem Covidcheck betriebsintern eingeführt werden, wie beispielsweise bei der Zeiterfassung. Genesene und geimpfte Arbeitnehmer können gewissermaßen „durchgewunken“ werden.

Anders verhält es sich bei allen anderen Arbeitnehmern: diese müssen dem Arbeitgeber einmal täglich einen zertifizierten Antigentest unterbreiten, welcher außerhalb der Arbeitszeiten und auf Kosten des Arbeitnehmers gemacht werden muss. Diejenigen Arbeitnehmer, die sich noch vor dem 15. Januar impfen lassen, erhalten Bons für kostenlose Tests bis zum kompletten Impfschema mit zwei Spritzen.

Der Arbeitnehmer, der den Covidcheck verweigert, oder wo der Check negativ ausfällt, kann im Einverständnis mit dem Arbeitgeber Urlaub nehmen, notfalls bis zum Auslaufen der Covidcheck-Verpflichtung am 28. Februar. Da wo Zeitsparkonten bestehen, können diese ebenfalls belastet werden. Der Arbeitgeber kann, muss aber nicht, Heimarbeit anbieten, da wo dies möglich ist.

Ist keine anderslautende Übereinkunft möglich, kann besagter Arbeitnehmer nicht arbeiten und der Arbeitgeber ist von der Lohn- oder Gehaltszahlung während dieser Zeit entbunden. Hier wird der entsprechende Arbeitnehmer dann also ohne Entgelt nach Hause geschickt. Noch hat diese Regelung keinen juristischen Namen. Es ist kein Dispens, es ist kein unbezahlter Urlaub, eine Entlassung ist es schon gar nicht! Zwar läuft der Arbeitsvertrag weiter, aber sie erhalten wie gesagt kein Lohn oder Gehalt.

Da es zu keiner Covidcheck-bedingten Kündigung kommen darf und aus versicherungstechnischen Gründen, muss der Arbeitgeber allerdings während der arbeitsfreien Zeit die gesetzlichen Minimalbeiträge zur Altersversicherung (16% für 64 Stunden pro Monat) abführen, wovon er den Arbeitnehmeranteil in den Nachfolgemonaten zurückerstattet erhält. Im Januar wird das wohl in aller Regel kein Problem darstellen, da normalerweise vor dem 15. Januar bereits 80 Stunden Arbeit geleistet worden sind.

Ein Fazit?

Die von der Regierung zurückbehaltene Lösung (die Sozialpartner wurden nicht gefragt OB?, sondern nur WIE?) ist die beste, die im Interesse der Unternehmen gefunden werden konnte. Ansonsten wohl ein mehr oder weniger genereller Lockdown die Folge gewesen wäre. Eine Impfpflicht ihrerseits wäre praktisch und faktisch einer 2G-Regelung am Arbeitsplatz gleichgekommen – da die Testmöglichkeit bei Pflicht ja in aller Konsequenz wegfallen müsste. Mit der Folge, dass Nicht-Geimpfte definitiv auch nicht mehr arbeiten, was die Unternehmen angesichts des Fachkräftemangels sicherlich auch nicht wollen. Die jetzt zurückbehaltene Lösung erlaubt es uns allen, noch einmal für die Impfung zu werben und zu sensibilisieren mit der Botschaft, dass die arbeitende Bevölkerung ein Teil der Lösung ist: „Lasst Euch impfen!“

Wenn auch nicht abschließend, so kann man wohl sagen, dass unter den gegebenen Umständen, die erzielte Lösung einen gangbaren Kompromiss darstellt. Ja, es bedeutet Aufwand in den Unternehmen. Ja, es wird Krankenscheine wohl nur so hageln. Hier muss nachgebessert werden, und die Forderung nach strenger Kontrolle auch der ausstellenden Ärzte steht klar und deutlich im Raum. Die Regierung ist sich dessen bewusst und sucht nach Lösungen. Die Unternehmen dürfen hier nicht auf den Kosten sitzen bleiben. Idealerweise sollte die Arbeitgebermutualität pauschal im Zeitraum zwischen dem 15. Januar und dem 28. Februar die Entschädigung auf 100% statt 80% anheben.

Aber auch die Arbeitskollegen und die Gewerkschaften stehen in der Pflicht: Sie müssen deutlich machen, dass die „Toleranz“ gegenüber Impfgegnern da aufhört, wo die Kollegen leiden müssen, und zwar nicht nur beim gesundheitlichen Risiko, sondern auch durch Mehrbelastung am Arbeitsplatz wegen hoher Abwesenheitsquoten. Und sie müssen das auch klar und deutlich sagen, anstatt nur auf die Rechte der Impfgegner zu verweisen.

Die Arbeitgeber wollen ihrerseits alles tun, um den generellen Lockdown zu verhindern. Wir wollen an dieser Stelle mal annehmen, dass die breite Mehrheit der Unternehmen ohne größere Einschnitte nach dem 15. Januar wird arbeiten können. Faktisch ist die Impfung leider der einzige Weg aus der Pandemie – außer der Durchseuchung der Gesamtbevölkerung, was Jahre dauern kann und unzählige Todesopfer fordern wird. Ohne die gefundenen Regeln nun bewerten zu wollen, kann man wohl sagen, dass 3G wohl die letzte Chance vor dem generellen Lockdown darstellt. Das zu vermeiden, muss uns die Anstrengung wert sein.

 

Fédération des Artisans

Romain Schmit

Secrétaire général